Wer weiß, mit welcher Zähigkeit die Arbeiterschaft seit den Anfängen ihrer Organisation um die Verlängerung der Freizeit kämpft, der könnte meinen, daß in allem Elend der Arbeitslosigkeit die unbegrenzte freie Zeit für den Menschen doch ein Gewinn sei. Aber bei näherem Zusehen erweist sich diese Freizeit als tragisches Geschenk. Losgelöst von ihrer Arbeit und ohne Kontakt mit der Außenwelt, haben die Arbeiter die materiellen und moralischen Möglichkeiten eingebüßt, die Zeit zu verwenden....
Gegen Mittag, wenn der Verkehr in Marienthal seinen bescheidenen Höhepunkt erreicht, bietet die Ortsstraße auf den 300 m, die man überblicken kann, folgendes Bild. Von 100 Erwachsenen, die durch die Straße gehen, bleiben stehen:
|
Männer |
Frauen |
insgesamt |
3 x und mehr |
39 |
3 |
42 |
2 x |
7 |
2 |
9 |
1 x |
16 |
15 |
31 |
0 x |
6 |
12 |
18 |
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68 |
32 |
100 |
Fast 2/3 der Männer also bleiben wenigstens zweimal stehen. Der Unterschied gegenüber den Frauen fällt auf: etwa 1/6 der Frauen nur hält sich zweimal oder öfter auf. Sie haben, wie wir später noch sehen werden, erheblich weniger Zeit.
Von unserem verborgenen Fensterplatz aus versuchten wir, mit der Uhr in der Hand die Geschwindigkeit zu ermitteln. Von 50 Marienthalern, die ohne sich aufzuhalten, eine längere Wegstrecke gehen, gehen mit einer Geschwindigkeit von
Stundenkilometer |
Männer |
Frauen |
insgesamt |
5 |
7 |
10 |
17 |
4 |
8 |
3 |
11 |
3 |
18 |
4 |
22 |
|
33 |
17 |
50 |
.... Doppelt verläuft die Zeit in Marienthal, anders den Frauen und anders den Männern.
.... denn die Frauen sind nur verdienstlos, nicht arbeitslos, nicht arbeitslos im strengsten Wortsinn geworden. Sie haben den Haushalt zu führen, der ihren Tag ausfüllt.
Quelle: Jahoda u.a.: Die Arbeitslosen von Marienthal, op.cit., S. 83 u. 84.