Druckversion:
Nach dem Drucken:
und zurück zum Dokument

Sollte das Drucken mit diesem Schaltknopf nicht funktionieren, nutzen Sie bitte die Druckfunktion in Ihrem Browser: Menü Datei -> Drucken

ViLeS 2 > Kap. IV Hypothesentests > IV-1 Allgemeine Aspekte des Testmodells > Konzepte und Definitionen

Konzepte und Definitionen im Modul IV-1 Allgemeine Aspekte des Testmodells

Vorbemerkung

1. Punkt- und Bereichshypothesen

Beim Hypothesentest werden zwei Arten von Hypothesen unterschieden: Die Punkt- und die Bereichshypothese.

a) Die Punkthypothese

Wird eine Hypothese (H) als Punkthypothese formuliert, überprüft der Test die Glaubwürdigkeit genau eines Wertes, nämlich des festgelegten. Die Hypothese "Das durchschnittliche Bruttoeinkommen in dem Ort A beträgt 3800 EUR pro Haushalt" kann nur dann angenommen werden, wenn der gefundene Mittelwert aus der Stichprobe sich nicht signifikant von 3800 unterscheidet.
In Symbolen schreibt man: .

Stellen wir uns vor, dass die Untersuchung von einer Drogeriekette durchgeführt wird, die prüfen möchte, ob die potentiellen Kunden für eine Geschäftsansiedlung ausreichend betucht sind. In diesem Falle wäre die Geschäftsleitung sicherlich auch zu einem Bau bereit, wenn das mittlere Bruttoeinkommen über den geforderten 3800 EUR liegt. Dieses Beispiel zeigt, dass Punkthypothesen gerade in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften oft nicht so geeignet sind wie Bereichshypothesen.

b) Die Bereichshypothesen

Eine Bereichshypothese umfasst deshalb nicht nur einen bestimmten Wert, sondern einen Bereich einschließlich eines Wertes bis ± ∞ , deshalb müssen wir zwei Arten von Bereichshypothesen unterscheiden:

H0: μ ≥ μ0 und H0: μ ≤ μ0 .

Oft bietet es sich bei Bereichshypothesen an, nicht die vordergründig erwünschte Hypothese auf Annahme (hier am Beispiele der Drogeriekette: H0: μ ≥ 3800 EUR), sondern die unerwünschte Hypothese (hier: H0: μ ≤ 3800 EUR) auf Ablehnung zu testen. I.A. wird die letztlich getestete Hypothese als H0 und die Alternativhypothese als H1 bezeichnet.

2. Ablehnungs- und Annahmebereiche

Eine Hypothese H0 kann nach einem Test entweder angenommen oder abgelehnt werden. Die Frage, wann eine Hypothese abgelehnt und wann angenommen wird, hängt davon ab, wie weit der hypothetische Wert der Grundgesamtheit und der ermittelte Wert der Stichprobe auseinanderklaffen dürfen, ohne dass von einem signifikanten Unterschied gesprochen werden muss.
Fällt nun der Wert aus der Stichprobe in den Ablehnungsbereich, wird die H0 abgelehnt. Wo der Ablehnungs- bzw. der Annahmebereich liegt, entscheidet die Formulierung der Hypothese.

a) Ablehnungs- und Annahmebereich bei Punkthypothesen

b) Ablehnungs- und Annahmebereiche bei Bereichshypothesen

In allen drei Fällen ist die Wahrscheinlichkeit α0, die Hypothese abzulehnen, (d.h. die Größe der schraffierten Randfläche/n) gleich groß. Im Falle des beidseitigen Tests wird sie nur auf einen rechten und einen linken Randbereich aufgeteilt.

3. Das Signifikanzniveau

Bevor ein Test durchgeführt wird, muss ein entsprechendes Signifikanzniveau gewählt werden, das mit α0 gekennzeichnet wird. Es bestimmt die Größe des Bereichs, in dem die H0 abgelehnt wird, d.h die Größe der schraffierten Fläche in den Abb. IV-1 u. IV-2.

Bei einseitigen Tests liegt der Ablehnungsbereich mit der Größe α0 entweder auf der linken oder der rechten Seite der Verteilung. Bei einem beidseitigen Test teilt sich die Größe α0 in zwei gleich große Bereiche α0/2 auf.

Das konkrete Signifikanzniveau α0 muss vor jedem Test individuell gewählt werden. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften liegen typische Werte bei 0,1; 0,05 oder 0,01, d.h. bei 10%, 5% oder 1%. Diese Größe bestimmt sowohl wie groß der Ablehnungsbereich als auch wie groß der Annahmebereich der Hypothese (1 - α0) ist.

Das Wählen des Signifikanzniveaus ist immer eine "Gradwanderung". Je größer der Wert, desto größer der Ablehnungsbereich, desto größer die Chance, die H0 zugunsten der H1 zu verwerfen. Jedoch sinkt damit gleichzeitig die sog. Signifikanz des Ergebnis.

Unter der Voraussetzung, dass die eigentlich unerwünschte Hypothese auf Ablehnung getestet werden sollte (und nur unter dieser Voraussetzung macht der Begriff einer hohen Signifikanz einen positiven Sinn), erschwert ein kleiner α0-Wert die Ablehnung der unerwünschten Hypothese. Fällt das Stichprobenergebnis dennoch in den Ablehnungsbereich, kann man mit einer hohen Signifikanz von der Richtigkeit der erwünschten Hypothese ausgehen.

Wären die Folgen einer unerwünschten Hypothese sehr gravierend, empfiehlt es sich mit noch kleinerem Signifikanzniveau als 1% zu testen. In explorativen Untersuchungen kann aber auch gerade am Anfang des Forschungsprozesses auch ein Niveau von 10% gewählt werden.

4. Der Alpha- und der Beta-Fehler

a) Der α-Fehler

Fällt das Stichprobenergebnis in den Ablehnungsbereich, heißt das noch nicht notwendigerweise, dass die abgelehnte Hypothese falsch ist. Da mit der Wahrscheinlichkeit von α0 ein Stichprobenwert auch bei richtiger Hypothese in den Ablehnungsbereich fällt, begehen wir in diesem Fall den Fehler, die richtige Hypothese abzulehnen. Dieser Fehler wird deshalb α-Fehler genannt.

b) Der β-Fehler

Fällt das Stichprobenergebnis andererseits in den Annahmebereich, muss das noch nicht bedeuten, dass der hypothetische Wert der Grundgesamtheit der "Realität" entspricht. Es kann durchaus passieren, dass man sich dann für eine "falsche" Hypothese entscheidet. Diese Tatsache bezeichnet man als β-Fehler.
Zu bedenken ist, dass der β-Fehler umso kleiner wird, je mehr sich der tatsächliche und der hypothetische Wert unterscheiden. Zudem kann er durch eine Erhöhung des Stichprobenumfangs verkleinert werden. In der Praxis hängt die Notwendigkeit seiner Reduktion davon ab, welche Kosten mit einem α- bzw. β-Fehler verbunden sind.

c) Die Fehlertabelle

Wir unterscheiden somit zwei Fehlerarten: α- und β- Fehler. Dieser Sachverhalt ist nochmals in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tab. IV-1 Fehlertabelle beim Hypothesentest

In der Grundgesamtheit gilt die H0

ja

nein

Stichprobe fällt in den Annahmebereich

ja

richtige Entscheidung, kein Fehler

β-Fehler

nein

α-Fehler

richtige Entscheidung, kein Fehler

d. Die Abschätzung des β-Fehlers

Der β-Fehler kann nur bestimmt werden, wenn der tatsächliche Wert des zu testenden Parameters bekannt ist. Für alternative "Realitäten" lässt er sich abschätzen.
In der folgenden Abb. IV-3 ist die Stichprobenverteilung der X̄ auf der Basis der Hypothese H0: μ = μ0 dargestellt. Bei gegebenem Signifikanzniveau wird diese Hypothese angenommen, wenn X̄ u ≤ X̄ ≤ X̄ o .
Wenn nun aber nicht H0: μ = μ0 die richtige Hypothese ist sondern H1: μ = μ1, gibt β die Wahrscheinlichkeit an, dass der Stichproben-Mittelwert in den Bereich X̄ u ≤ X̄ ≤ X̄o fällt.
Somit ist β = P ( X̄ u ≤ X̄ ≤ X̄o | μ1).
(zu den genaueren Modalitäten vgl. die Lehrbuchliteratur, z.B. Litz 2003, S. 354 ff).

Abb. IV-3 Abschätzung des β-Fehlers

α- und β-Fehler korrespondieren somit: Je kleiner der α- desto größer ist der β-Fehler. Dies ist die Folge einer mit der Minimierung des α-Fehlers einher gehenden Vergrößerung des Annahmebereichs. Damit nimmt natürlich die Wahrscheinlichkeit zu, eine falsche Hypothese anzunehmen.

5. Lokalisierung der Grenzwerte

Sind die Hypothesen aufgestellt und das Signifikanzniveau gewählt, muss noch bestimmt werden, wo die Grenzwerte des Annahme- bzw. Ablehnungsbereiches (auch kritische Werte oder Rückweisungspunkte) exakt liegt. Die Lokalisierung der kritischen Grenze kann auf drei, bezüglich des Testergebnisses identische Arten erfolgen.

a) Variante 1: Vergleich der Z-Werte (Z ⇔ Z α0 , α0/2)

Am einfachsten vergleicht man den/die - aus der Tabelle bei gegebenem α0 nachgeschlagenen - kritischen Wert(e) Z α bzw. Z α/2 (d.h. den entsprechenden Werte in dieser Übersicht) mit dem Wert der Z-Transformation (wenn σ nicht bekannt ist, was die Regel ist, wird es durch ŝ geschätzt, vgl. die nächsten Module):

Für eine Hypothese H0: μ ≤ μ0 zeigt die nachfolgende Graphik bei einem Signifikanzniveau von α = 0,05 den Annahme- und Ablehnungsbereich der Hypothese:

Abb. IV-4 rechtsseitiger Test bei α = 0,05


P( Z ≥ Z α) = α0


Der Ablehnungsbereich (hier für einen rechtsseitigen Test) ist dabei schraffiert. Wenn der aus der Z-Transformation bestimmte Z-Wert in diesen Bereich fällt, d.h. wenn Z > Z α wird die Hypothese abgelehnt.

b) Variante 2: Vergleich der X̄-Werte (X̄ ⇔ X̄ r u,o )

Im zweiten (analogen) Fall kann die Z-Formel nach dem kritischen X̄-Wert aufgelöst werden, so dass man folgende Bereichsgrenzen erhält:

Die kritischen Werte sind graphisch in den Abbildung IV-1 - IV-3 dargestellt.

Dieser zweite Weg hat gegenüber dem ersten den Vorteil, dass er erkennbar macht, wie groß die Abweichung zwischen dem gefundenen Stichprobenwert X̄ und dem, noch die Hypothese stützenden X̄r-Wert ist.

c) Variante 3: Vergleich der α-Werte (α ⇔ α0 )

Im dritten (ebenfalls analogen) Fall wird der, dem Z-Wert aus der Transformationsformel zuzuordnende α-Wert mit dem gewählten Signifikanzniveau α0 verglichen. Ein Wert von α, der im beidseitigen Test kleiner als α0/2, im links- und rechtsseitigen Test kleiner als α0 ist, führt dann ebenfalls zur Ablehnung der Hypothese. Diese Vorgehensweise findet sich z.B. bei Hypothesentests im Rahmen von SPSS.

6. Festlegung des Stichprobenumfangs

Aus den Formeln in 5.b ergibt sich die Erkenntnis, dass die Breite des Annahmebereichs wesentlich vom Stichprobenumfang n mit bestimmt wird. Damit hat es die testende Institution selbst in der Hand, durch Vergrößerung des Stichprobenumfangs die Gefahr zu vermindern, eine falsche Hypothese anzunehmen, d. h. einen β-Fehler zu begehen.
Gerät dabei der Stichprobenumfang über die 10%-Grenze, ist bei den Berechnungen der Endlichkeitsfaktor zu berücksichtigen.


 

letzte Änderung am 5.4.2019 um 4:24 Uhr.

Adresse dieser Seite (evtl. in mehrere Zeilen zerteilt)
http://viles.uni-oldenburg.de/navtest/viles2/kapitel03_Hypothesentests/modul01_Allgemeine~~lAspekte~~ldes~~lTestmodells/ebene01_Konzepte~~lund~~lDefinitionen/03
__01__01__01.php3