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ViLeS 1 > I Einführung in die deskriptive statistische Datenanalyse > I-1 Die empirischen Grundlagen der Statistik > Methodische Aspekte der Datenerhebung

Methodische Aspekte der Datenerhebung im Modul I-1 Die empirischen Grundlagen der Statistik

Für die statistische Praxis kommen als Datenquellen eigene Befragungen mittels standardisierter Interviews, der Rückgriff auf kommerzielle Datenpools und Sekundäranalysen von Daten der amtlichen Statistik in Betracht.
Im Folgenden soll die Komplexität des Erhebungsprozesses anhand des Instruments des standardisierten Interviews deutlich gemacht werden.

a) Das Instrument der standardisierten Befragung

Die verbalen Interaktionen im Erhebungsprozess zwischen dem/der Interviewten (Erhebungsobjekt) und dem Interviewer (Forschersubjekt) beziehen sich inhaltlich i. A. auf den Lebens-/Berufsalltag der befragten  Person. Sie stellen in der Regel jedoch keine alltägliche Form der Kommunikation dar, sondern unterscheidet sich vom normalen Gesprächsverlauf in mehreren Aspekten (vgl. Schaubild 1-1). Jede Abweichungen von den gewohnten Kommunikationsmustern kann von den Interview"partnern" als Störungen empfunden werden und das Antwortverhalten bis zur Antwortverweigerung beeinträchtigen.

Schaubild 1-1: Kommunikationsformen im standardisierten Interview

  1. Es gibt nur einen Frager und eine(n) Antwortende(n).
  2. Der/die Befragte wird möglicherweise zu Dingen befragt,
     - die ihn (sie) im Alltag nicht betrifft, 
     - die ihn (sie) nicht interessieren,
     - die er (sie) nicht alleine entscheidet und
     - über die er (sie) sich erst in konkreten Situationen oder über einen längeren Prozess eine Meinung bildet.
  3. Es werden nicht nur die Fragen vorgegeben, sondern auch die Antwortalternativen.
  4. Interviewer und Interviewte(r) unterscheiden sich möglicherweise persönlich hinsichtlich
     - ihres Auftretens und ihrer Kleidung,
     - ihrer nonverbalen Kommunikationsformen und
     - ihres Sprachverhalten (Begriffe, Satzbau, Sprachfärbung). 

b) Gültigkeit und Zuverlässigkeit des Instruments

Je deutlicher die Interviewsituation und das Interviewerverhalten für den einzelnen Befragten von den alltäglichen Kommunikationsformen abweicht, umso größer ist die Gefahr ungültiger (verzerrter) Interviewergebnisse.
Gerade bei hochstandardisierten Interviews, in denen auch die Antwortalternativen vorgegeben werden, ist diese Möglichkeit gegeben. Ihr kann allerdings durch entsprechende Gestaltung des Interviews in Form und Inhalt entgegen gewirkt werden.

  • Einerseits gefährdet eine Standardisierung des Instruments und des Erhebungskontextes die Gültigkeit (Validität) des Messprozesses,

  • anderseits ist sie Voraussetzung für die Zuverlässigkeit (Reliabilität) des Instruments, d.h. die Eigenschaft, dass in wiederholten Befragungen auch unter unterschiedlichen Konstellationen von den gleichen Probanden gleiche Reaktionen zu erwarten sind.

Die quasi experimentelle Anlage der Befragung bewirkt die Ausschaltung situativer Einflüsse auf die Untersuchungsergebnisse und damit eine hohe Verlässlichkeit der Antworten.

In Abb. 1-3 sind diese beiden Aspekte der Befragungssituation in ihrem Zusammenhang und ihrem Spannungsverhältnis dargestellt.

Abbildung 1-3: Dimensionen einer standardisierten Befragungssituation

c) Die Gestaltung des Fragebogens

Insgesamt stehen zur Erzeugung möglichst gültiger und zuverlässiger Daten eine Reihe von Fragebogen- und Befragungstechniken zur Verfügung, deren Ausgestaltung sowohl vom anzusprechenden Personenkreis wie von den Frageinhalten abhängig zu machen ist.

  • Der erste Aktionsparameter für die Gestaltung des Fragebogens betrifft die Bestimmung der Befragungspersonen. Unter diesem Aspekt ist zu entscheiden, ob die Erhebungsobjekte, d.h. die Personen über die Informationen gesammelt werden sollen, selbst befragt werden können oder ob es besser ist, eine andere Person (Angehöriger/Experte) anzusprechen. Unter Umständen ist es auch angebracht eine Gruppe von Personen (Arbeitsteam, Haushalt) gemeinsam zu interviewen.

  • Der zweite Aktionsparameter zielt auf die Festlegung der Befragungsformen (vgl. Schaubild 1-2).

    Schaubild 1-2: Befragungsformen im standardisierten Interview

    Für die formale Gestaltung der Befragung stehen folgende Optionen zur Verfügung:

    1. Kommunikationsformen,
       - Einzel-/ Gruppeninterview
       - Mündliche/ telefonische/ schriftliche/ online- Befragung,
    2. Ausmaß der Standardisierung:
       - Standardisierte/ teilstandardisierte/ offene Befragung,
    3. Periodizität
       - Einmalige/ wiederholte/ Panel-Befragung,
    4. Auswahlverfahren
       - Zufallsauswahl/ systematische Auswahl/ Totalerhebung.

    In einem komplexen Erhebungsdesign können durchaus verschiedene Formen des medialen Zugangs und der Standardisierung kombiniert werden, wenn dadurch Kosten minimiert oder spezielle Fragestellungen besser transportiert werden können. Auch bezüglich der Periodizität und der Auswahl der Befragungsobjekte gilt es in der Regel, eine Balance zwischen Untersuchungsertrag und -kosten zu finden.

  • Das Antwortverhalten der Befragten hängt nicht nur von der Form sondern mindestens ebenso stark von den Frageinhalten des Interviews ab (vgl. Schaubild 1-3).

    Schaubild 1-3: Frageinhalte im standardisierten Interview

    • Persönliche Merkmale,
    • Institutionelle/ betriebliche Merkmale,
    • Sozio-ökonomische Merkmale,
    • Individueller Informations-/ Wissensstand,
    • Subjektive Meinungen, Einstellungen, Wertungen,
    • Vergangenes/ zukünftiges Handeln.

    Die vorgesehenen Items stellen für die einzelnen Befragten unterschiedlich sensible und auch unterschiedlich schwierige Kategorien dar. Derartige Fragekomplexe machen jeweils eine spezifische, sorgfältige Ausgestaltung der Fragen erforderlich.

  • Zur Erhöhung der Validität stehen eine ausserdem eine Reihe von Formulierungs- und Gestaltungstechniken (vgl. Schaubild 1-4) bereit:

    Schaubild 1-4: Formulierungs- und Gestaltungstechniken im standardisierten Interview

    • Erläuternde Texte und Begründungen,
    • Einführungsfragen/ Überleitungsfragen/ Abschlussfragen,
    • Bündelung vs. Streuung der Fragen,
    • Trichterfragen (thematische Zuspitzung),
    • Verzweigungen (thematische Ausweitungen),
    • Direkte/ indirekte Fragen,
    • Neutrale (nicht-suggestive) Fragen,
    • Kontrollfragen (eher nicht).

    Alle Gestaltungsmöglichkeiten können dazu genutzt werden, dem Interviewten das Untersuchungsanliegen nahe zu bringen und die Plausibilität des Interviewablaufs zu vermitteln und damit die Antwortbereitschaft herzustellen und aufrecht zu erhalten.

  • Bei der Formulierung ist auf Verständlichkeit und Neutralität der Fragen zu achten und den folgenden Gefahrenquellen (vgl. Schaubild 1-5) aus dem Weg zu gehen:

    Schaubild 1-5: Gefahrenquellen im standardisierten Interview

    • Abstrakte Begriffe,
    • Implizite Wertungen,
    • Suggestive Fragen oder Antwortvorgaben (u. U. sinnvoll zur Prüfung der Stabilität einer Einstellung),
    • Mehrdimensionale Fragen oder Antwortvorgaben,
    • Unsystematische oder lückenhafte Antwortvorgaben,
    • Nicht ausbalancierte Bewertungsskalen,
    • Fehlende Möglichkeiten für: "trifft nicht zu", "Sonstiges" o.ä.

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letzte Änderung am 28.2.2020 um 7:49 Uhr.

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